„Sehr
geehrte Damen und Herren, der ehemalige Präses der evangelischen Kirche im
Rheinland, Peter Beier, hier aus Düren hat in seinem Buch „Übergänge“ einst
folgendes geschrieben:
„Gedenkt!
Erinnert nicht nur!
Erinnerung atmet flach.
Gedächtnis atmet tief.
Erinnerung spielt sentimental.
Gedenken arbeitet schwer
und ist ein Werk des Glaubens, der weiß:
Vergangenheit ist nie vergangen,
Tote sind nicht nur tot,
im Haus wohnt das Gestern,
und die Zukunft braucht ein langes Gedächtnis.“
Auf diese Zeilen stieß ich, als ich den diesjährigen Holocaustgedenktag zu dem
die Dürener Bürger gegen Rechts eine Veranstaltung am 27.01.2020 abhalten,
vorbereitete. Warum zitiere ich Peter Beier? Warum mache ich hier Gedenken und
Erinnern zum Thema, wo doch die AfD und andere Parteien, Gruppierungen und
Vereinigungen vom rechten Rand ganz aktuell sind. Wo Menschen durch rechte
Gewalttäter misshandelt und auch getötet werden?
Ich zitiere Peter Beier, weil sein Vermächtnis tagesaktuell ist. Viele haben
schon von den „goldenen Zwanzigern“ des letzten Jahrhunderts gehört. Die
Zwanziger wurden von den Menschen „golden“ genannt, die in jenen Jahren jung
waren.
Es kam eine neue Musik auf und neuer Kleidungsstil. Die Menschen waren
insgesamt freizügiger.
Was vielfach vergessen wird, ist der Umstand, dass in jenen Jahren das Geld
immer weniger Wert hatte. So kostete ein Brot irgendwann in den Zwanzigern
Billionen von Reichsmark. Notgeld wurde gedruckt. Es war ratsam, seinen
Verdienst schon bei der Auszahlung des Lohnes auszugeben, weil das Geld am
nächsten Tag wertlos war. Und dann der aufkommende Nationalsozialismus. Immer
dreister wurden die braunen Genossen, während sich die anderen Parteien bar
jeder Vernunft gegenseitig zerlegten und das System der Weimarer Republik immer
instabiler wurde.
Die Menschen reagierten auf diesen instabilen Staat immer genervter. Man wollte
eine starke Persönlichkeit in Deutschland.
Und dann kam Hitler.
In der Erinnerung wurden dann die goldenen Zwanziger draus. In der Erinnerung
waren die Menschen es alle natürlich nicht schuld, dass Hitler an die Macht
kam. Es waren natürlich nicht die Parteien. Es waren natürlich nicht die
einzelnen Menschen. Natürlich stritt jeder ab, irgendetwas mit den Nazis zu tun
zu haben.
Erinnerung atmet flach!
Doch Hitler kam an die Macht. Gewählt. Und mit Hilfe der meisten anderen
Parteien konnte er den Notstand ausrufen und seine Macht zementieren. Seine
einstigen Helfer ließ er ins Gefängnis bringen und viele von ihnen töten.
Und heute? Erneut haben wir „Zwanziger“ und erneut scheint sich alles um das
verfluchte Geld zu drehen. Alles guckt auf den DAX und die anderen
Börsenindizes. Wir verkaufen unsere Seele und diese Erde für ein paar Dollars
oder Euros mehr. Unsere Parteien bieten keine wirkliche Heimat mehr.
Das Parteiengefüge ist durcheinandergeraten. Wer vertritt noch die Unternehmer,
wer vertritt die Arbeitnehmer, wer ist konservativ und wer liberal? Ist es
wirklich verwerflich links zu sein? Ist man dann bereits ein Kommunist? Die
dritte Welt ist wie damals nur Rohstofflieferant. Dass dort Menschen wohnen,
wird von uns weitestgehend mit einem Achselzucken quittiert.
Wir scheinen auf einem Vulkan zu tanzen und schneller und schneller. Und
neuerlich hält eine Partei des extrem rechten Spektrums den Einzug in das
oberste Parlament dieses Landes und in viele Länderparlamente. Gewählt von
Wahlberechtigten dieses Volkes. Wahlberechtigte, die die Nase voll haben von
den Parteien und diesem scheinbar schwachen System, Wahlberechtigten, die
gezielt in Angst vor einer Bevölkerungsgruppe versetzt werden und endlich eine starke Persönlichkeit haben möchten, die
Ihnen das Denken abnimmt.
Gedächtnis atmet tief!
Und wenn wir uns einmal ruhig zurücklehnen? Wenn wir uns anschauen, wo wir
stehen?
Ja, wir leben nicht in einem perfekten System.
Ja, es gibt vieles, was verbesserungswürdig ist.
Dazu zählen auch unsere Parteien. Diese Parteien abzulehnen ist jedoch ein
einfacher Schritt. Tragt Eure berechtigte Meinung und Kritik doch rein in die
Parteien!
Setzt Euch mit diesem Staatswesen aktiv auseinander!
Ich fordere, dass dieses Volk endlich Verantwortung für sich selber übernimmt
und aufhört, immer nur aus dem Sessel heraus zu meckern. Wir brauchen nicht nur
Schönwetterdemokraten, sondern auch und vor allem Menschen, die für die Ideen
dieses Landes einstehen, wenn es unbequem wird.
Dass die Stadt Düren eine Bannmeile um das Schloss errichtet hat, um diese
Partei, die heute da ihren Neujahrsempfang abhält, während in Yad Vashem
erstmalig ein Bundespräsident spricht, um der Shoa zu gedenken, ist
Geschmackssache.
Auch die AfD gehört dem Parteienspektrum an und hat ein Recht auf eine
Parteiveranstaltung.
Nichtsdestotrotz haben wir eben auch das Recht, unseren Protest gegen extrem
rechtes Gedankengut lauthals und bunt und friedlich darzulegen. Dass
ausgerechnet die AfD dann aber heute- am Holocaustgedenktag – hingeht und gegen
linke Gewalt demonstriert, empfinde ich als pure Provokation. Nicht nur, dass
dieses Datum historisch belastet ist, an dem den Millionen Menschen gedacht
wird, die aufgrund der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft auf
grausame und unrechtmäßige Art und Weise ihr Leben verloren haben.
Nein, wir erleben es, dass immer mehr Bürgermeister dem rechten Mob nicht
standhalten und lieber ihre Ämter niederlegen, als sich beständigen,
belastenden Drohungen auszusetzen.
Wir erleben, dass ein Landrat durch einen rechten Sympathisanten ermordet wird
und dass eine Synagoge angegriffen wurde und willkürlich Menschen durch einen
Rechten getötet werden.
Und die AfD in Düren? Lauthals rufen Sie MIMIMIMIMI…. Die haben mir ins Ohr
gepfiffen, oder… die haben mir ins Gesicht gefilmt….
Wenn man ihnen zuhört, sind das alles total missverstandene Opfer!
Und weil Sie in der Burg ein geschütztes Biotop haben, gehen Sie nach draußen,
damit sie auch ja der Presse und sich selbst beweisen können, dass es Menschen
gibt, die sie lautstark ablehnen. Ich hoffe dabei nur, dass die Presse nicht
nur über den inszenierten AfD Klamauk berichtet, sondern auch über uns
friedliche Demonstranten, die der AfD zeigen, dass wir sie nicht wollen. Kaum
eine Partei hat eine so gute PR-Abteilung wie die AfD. Aber in Demagogie waren
die Rechten ja schon immer gut.
Ich würde sehr viel dafür geben zu wissen, wo die das Geld für diese gigantische
Meinungsmachefabrik her haben.
Sie führen einen Medialen Krieg gegen den WDR für ein satirisches Lied.
Sie führen eine Kampagne gegen die GEZ (vermutlich um den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk der ihnen ein Dorn im Auge ist, zu zerstören).
Sie treten medial wirksam auf gegen Umweltschützer und schüren Ängste um unsere
Wirtschaft, während die gequälte Welt brennt.
Kein Mittel und kein Thema ist ihnen zu schade, um die Menschen in Angst und
Unsicherheit zu bringen.
Was gegen diese Angstmacher hilft ist Wissen und Mut. Wir müssen uns noch
besser informieren und wir müssen den Mut haben für Veränderungen. In dem
Moment, wo wir stark sind durch unser Wissen und unseren Mut, haben diese
blauen Schlümpfe da hinten keine Chance mehr.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger
Lassen Sie uns dieses Land vor dem braunen Mob schützen. Wir dürfen nicht
zulassen, dass diese Demokratie, dass dieses Land in falsche Verhaltensweisen
verfällt.
Wir müssen stark sein und unsere Meinung nach außen tragen. Dabei haben wir untereinander
weitaus überwiegend nicht die gleiche Meinung. Auch hier zeigt sich die
Pluralität der Menschen. Viele sagen, dass wir zerstritten sind.
Doch das ist nicht so. Denn in einem sind wir uns alle einig! Wir können links
sein, grün, gelb, konservativ…
Aber niemals braun.
· Wir
wollen ein buntes Düren.
· Wir
wollen ein buntes Nordrhein-Westfalen.
· Wir
wollen ein buntes Deutschland.“
Rede von Thomas Isecke auf der Versammlung am 23.1.2020 vor Schloss Burgau
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