Glossar Kreis Düren


Im Glossar gehen wir auf die politisch rechts der CDU/CSU einzuordnende Gruppen, Initiativen oder Parteien ein. Die Texte sollen einen Überblick liefern über im Kreis Düren aktive, aber auch nicht (mehr) aktive (jedoch relevante) Organisationen. Besonders im Bereich etwaiger Vorfeld- oder Scheininitiativen mussten wir abwägen zwischen nötiger Informationen und der Gefahr, Scheinriesen ein zu großes Forum zu bieten, die durch (Neu-)Gründungen, Netzwerkarbeit und Umbenennungen wichtiger erscheinen, als sie letztlich sind. Zuweilen bilden aber auch Kleinststrukturen im vorpolitischen Raum Gefahren für das demokratische Miteinander. Angaben zum Stand der Recherchen bitte beachten, so nötig erfolgen Ergänzungen. Über Hinweise wären wir dankbar.  (Michael Klarmann, Recherche; Peter Kirschbaum; Redaktion)


Alternative für Deutschland (AfD): Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist eine rechtspopulistisch agierende Partei, die jedoch heterogen strukturiert ist. So gibt es Vertreter, die sich als wirtschaftsliberal und konservativ einstufen, zugleich gibt es  einen großen rechtspopulistischen Anteil in der Partei und einen völkisch-nationalistischen weit rechtsaußen stehenden Parteiflügel. In Düren verfügt die AfD über einen Kreisverband, bei der Kommunalwahl 2014 holte sie einen Sitz im Kreistag und drei Sitze im Stadtrat von Düren. Durch Parteiaustritte verlor sie zwischenzeitlich den Sitz im Kreistag und einen der Sitze im Rat.

Ähnlich wie Teile der Bundespartei hat sich auch die AfD im Kreisgebiet über die Jahre gewandelt, insbesondere nach dem Parteitag in Essen 2015, auf dem Parteigründer Bernd Lucke als Vorsitzender abgewählt wurde und dann kurz darauf die Partei verließ. Der Kreisverband Düren gehörte zuvor sehr lange zu dem eher wirtschaftsliberalen Flügel, rechtspopulistische, fremdenfeindlich konnotierte Propaganda suchte man fast vergeblich.

Noch Ende Dezember 2015 schrieb der Kreisvorsitzende Bernd Essler in einer persönlichen Erklärung über den völkisch-nationalistischen AfD-Politiker Björn Höcke, auf diesen „Psychopathen“ müsse man „gleichwohl […] in jeder Hinsicht den Druck […] erhöhen, damit diesem Zirkus endgültig ein Ende gemacht wird.“ Höcke müsse „isoliert und ausgegrenzt werden“. Der Text sorgte AfD-intern für großes Aufsehen, letztlich entfernte Essler diesen alsbald wieder aus dem Internet.

Im Jahr 2016 wandelte sich die Außendarstellung. Seitdem verbreitet der Kreisverband etwa über Facebook eine Vielzahl an rechtspopulistischen Inhalten, Themen wie Migration, Asyl, Islam und „Ausländerkriminalität“ werden populistisch und propagandistisch ausgeschlachtet. In dem Kommentarbereich schreiben Sympathisanten und Mitglieder in einem ähnlichen Duktus, oftmals jedoch radikaler, aggressiver, bisweilen auch beleidigender zuspitzend, als es in den offiziellen Texten geschieht. So wird auch gegen die „etablierten“ Parteien oder deren Politiker (Bundeskanzlerin Merkel u.a.) rhetorisch zu Felde gezogen.

Der zuvor nach außen hin wie ein Teil des Lucke-Flügels wirkende Verband hat sich 2016 also über Monate zu einer Art deutschen FPÖ gewandelt, im Kommentarbereich wird ein „Pegida“-ähnlicher Tonfall geduldet. Mitte 2016 gehörte zudem über Wochen ein Mann dem AfD-Kreisvorstand in Düren an, der im Jahre 2009 bei der Kommunalwahl noch als Kandidat für die NPD angetreten war. Nachdem dies im September 2016 öffentlich geworden war, trat der Ex-NPD-Kandidat von allen Ämtern in der AfD zurück. Laut einem Bericht in der Lokalpresse im November blieb er indes weiterhin aktiv. AfD-Kreissprecher Essler nannte den Ex-NPD-Kandidaten in der Lokalpresse ein tadelloses Mitglied. Dass er vor Jahren die Nähe zur NPD gesucht habe, erklärte Essler mit dem Fehlen einer Alternative zu den übrigen Parteien. „Diese Alternative hat er mit der AfD jetzt gefunden.“ (Stand: Juli 2017)


Anti-Antifa bzw. Anti-Antifa Aachen-Düren: Innerhalb der rechten Szene(n) gibt es Vertreter, die etwa mit anti-antifaschistischen T-Shirt-Aufdrucken darauf hinweisen, dass sie gegen Antifaschisten (Antifa) sind. Gruppen, die sich als Anti-Antifa bezeichnen, sammeln demgegenüber Namen, Daten, Fotos u.ä. von Personen, die sie als Gegner ansehen (Journalisten, Gegendemonstranten, Gewerkschafter, Lokalpolitiker, in Bündnissen gegen Rechts sowie örtlichen Antifa-Gruppen engagierten Menschen und Kirchenvertreter usw.). Solche Anti-Antifa-Gruppen verbreiten Daten über Gegner sowohl intern („Feindlisten“) als auch öffentlich via Internet bzw. bei Steckbrief-artigen Verteilaktionen im Wohn- oder Arbeitsumfeld der Betroffenen.

In der Region war Mitte bis Ende der 2000er Jahre die „Anti-Antifa Aachen-Düren“ namentlich aktiv, mutmaßliche Mitglieder waren in verschiedenen Neonazi-Gruppen und rechtsextremen Parteien eingebunden. Auch wenn Rechtsextremisten aktuell nicht unter diesem Label in der Region auftreten, sammeln sie vereinzelt weiterhin Daten ihrer Gegner. (Stand: Juli 2017)


Arminius-Bund: Der „Arminius-Bund“, auch bekannt als „Arminius-Bund des deutschen Volkes“ ist eine Minipartei, die sich aus dem Zusammenschluss von rechtsextremen, fremdenfeindlichen und in Teilen antisemitischen Spätaussiedlern namens „Russlanddeutsche Konservativen“ gebildet hat. Deren Vertreter hatten zeitweise die Nähe zur NPD gesucht und waren teilweise im „Arbeitskreis der Russlanddeutschen in der NPD“ aktiv. Auf der Suche nach einer eigenen Partei wendeten sie sich später der rechten Splitterpartei „Bund für Gesamtdeutschland“ (BGD) zu. Enttäuscht vom BGD wurde dann 2013 die Minipartei „Arminius-Bund“ gegründet. Parteivorsitzender ist ein früherer Kopf der „Russlanddeutschen Konservativen“ und anderer Vorfeldorganisationen aus Hürtgenwald.

Der „Arminius-Bund“ ist bundesweit marginal, eine Art Hochburg der Minipartei ist indes der Kreis Düren (vgl. Schleppender Parteiaufbau: Der „Arminius-Bund“ buhlt um AnhängerInnen – mit mäßigem Erfolg). So trat der „Bund“ 2014 zur Kommunalwahl in 7 von 27 Bezirken im Kreis Düren bei der Wahl zum Kreistag an. Die Reserveliste der Minipartei war dabei immerhin 13 Personen stark. Dennoch stimmten nur 169 Menschen am 25. Mai 2014 für die Minipartei, das waren 0,16 Prozent der Stimmen.

Aufgefallen ist der „Arminius-Bund“ durch Kundgebungen im Januar und Februar 2016, die sich gegen Asylsuchende beziehungsweise Migranten richteten, die angeblich kriminell seien oder Frauen und Mädchen sexuell belästigen und vergewaltigten. Anlass für diese bundesweite Kampagne aus jenen Kreisen war die von russischen Medien und Politikern sowie rechtsradikalen bis neonazistischen Kreisen in Deutschland verbreitete Falschmeldung, dass ein Mädchen russlanddeutscher Abstammung in Berlin von Migranten respektive Asylsuchenden entführt und vergewaltigt worden sein sollte. Später stellte sich heraus, dass die 13-Jährige zum Zeitpunkt ihres Verschwindens wegen persönlicher und schulischer Probleme nur bei einem Bekannten „Unterschlupf“ (Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin) gesucht und gefunden hatte.

An den beiden Demonstrationen in Düren durch Vertreter des „Arminius-Bundes“ nahmen auch Neonazis und NPD-Vertreter teil. Der „Arminius-Bund“ tritt zwar weiter eigenständig als Partei von und für Spätaussiedler auf, seit geraumer Zeit äußern sich Vertreter aber auch positiv über die AfD. Auf einer Facebook-Seite des „Arminius-Bundes“ erschienen mehrfach in denselben Zeitfenstern gleich lautende Postings wie auf der Facebook-Seite von „Syndikat 52“ (S52), was den Verdacht nahelegt, dass mindestens ein Verantwortlicher administrativen Zugang zu beiden Auftritten in dem sozialen Netzwerk hat.

Ähnlich wie regionale Vertreter der „Russlanddeutschen Konservativen“ oder anderer Initiativen und Vorfeldorganisationen aus diesem Spektrum versuchten auch Mitglieder des „Arminius-Bundes“ im Umfeld von Verbänden oder Initiativen Einfluss zu nehmen oder Interessanten anzuwerben. (Stand: Juli 2017)


Bürgerbewegung Pro NRW: Die rechtsradikale, islam- und fremdenfeindliche Splitterpartei „Pro NRW“ wollte um das Jahr 2009 mit dem Aufbau von Strukturen im Kreis Düren beginnen. Dies misslang offenbar auch deswegen, weil Vertreter der NPD und der KAL eine Art Gründungsversammlung störten. Spätere Kleinkundgebungen von „Pro NRW“ bzw. „Pro Deutschland“ wurden nicht von Düren aus organisiert und waren überwiegend durch anreisende Parteivertreter und Gäste geprägt. Nach zahlreichen Flügelkämpfen und Spaltungen ist „Pro NRW“ heute mehr und mehr bedeutungslos geworden. (Stand: Juli 2017)


Bürger stehen auf: Die Initiative „Bürger stehen auf“ entstand ursprünglich in Linnich, als die ehemalige Polizeischule zu einer Asylbewerber-Unterkunft umgewandelt wurde. Zu Beginn hatten die Verantwortlichen, die zeitweise besonders intensiv ein Facebook-Profil unter dem Label „Bürger stehen auf“ für u.a. fremdenfeindliche Propaganda nutz(t)en, versucht, den rechtsextremen Hintergrund der Initiative aus taktischen Gründen zu verheimlichen.

Als dann am 8. November 2015 in Linnich Rechtsextremisten, Hooligans und zu einem geringen Teil auch Anwohner gegen die „Asyl-Invasion“ aufmarschierten, war der rechtsextreme Charakter offensichtlich geworden (vgl. Rassistischer Aufmarsch in Linnich: Schulterschluss rechtsaußen). Drahtzieher sind ein Mann aus Linnich, der zuvor als Rechtsextremist nicht aufgefallen war, aber seitdem wiederholt an Aufmärschen teilnahm, und der damalige Chef des NPD-Kreisverbandes Mönchengladbach aus Erkelenz sowie ein Hooligan aus Linnich. Letztgenannter arbeitet im Marketing, Verkauf und der Tourbegleitung der rechtsextremen Bremer Hooligan-Band „Kategorie C“ (KC).

Der offensichtlich rechtsextreme Hintergrund der vermeintlich friedliebenden, normalen „Bürger“ wurde zudem 2016 bei Aufmärschen in Erkelenz (vgl. Demonstration der Initiative „Bürger stehen auf“ in Erkelenz) und abermals in Linnich (vgl. Neonazis blieben unter sich) deutlich. Insgesamt vermittelten die Versammlungen  einen Querschnitt aus Anhängern von „Pegida“, den „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) und Vertretern von neonazistischen Gruppen und Parteien.

Das Organisationsteam hat zwischenzeitlich seinen Namen in „Bürger stehen auf – bald auch in deiner Stadt“ abgeändert und zeitweise angekündigt, auch an anderen Orten in der Region aktiv werden zu wollen. Demonstrationen fanden seit Mitte 2016 dennoch keine mehr statt, die entsprechende Facebook-Seite wird sporadisch weiter betrieben mit u.a. Hinweisen auf rechtsextreme Veröffentlichungen und Propaganda. (Stand: Juli 2017)


Die Rechte (DR):  Seit 2013 ist ein Kreisverband Aachen und Heinsberg der Splitterpartei „Die Rechte“ (DR) aktiv. Diesen Regionalverband, zeitweise traten der Aachener und Heinsberger auch separat in Erscheinung, gehören auch Mitglieder aus Düren an. Gegründet wurde der DR-Kreisverband Aachen und Heinsberg bei einem Neonazi-Treffen in Nörvenich-Frauwüllesheim am 2. Februar 2013. Die Mutterpartei hatten am Pfingstsonntag 2012 ehemalige DVU-Mitglieder und Neonazis rund um Christian Worch in Hamburg gegründet.

Laut dem ehemaligen NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ist die Splitterpartei DR ein „Auffangbecken für Mitglieder [verschiedener] verbotenen Kameradschaften“ in NRW. An der am 2. Februar 2013 stattfindenden Gründungsfeier der DR-Verbände Aachen und Heinsberg waren unter den Teilnehmern zahlreiche ehemalige KAL-Mitglieder und -Kader. Die Sicherheitsbehörden betonen zudem, dass das Gründungsdatum hiesiger DR-Verbände mit dem offiziellen Gründungsdatum der KAL am 1. Februar 2002 korrespondierte und eine Provokation darstellen sollte, um aufzuzeigen, dass die „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) eigentlich weiter existiert oder wieder aktiv geworden ist (vgl. Verbotene „Kameradschaft Aachener Land“ weiter aktiv?)

Fanden etwa KAL-Treffen früher zeitweise in Vettweiß bei dem damaligen KAL-„Kameradschaftsführer“ statt, sollen später auch DR-Stammtische für die Mitglieder aus dem Raum Düren manchmal dort abgehalten worden sein. Unter dem Dach der DR-Verbände fanden zudem überwiegend konspirativ vorbereitete Veranstaltungen statt, die jenen der KAL glichen (vgl. „Syndikat 52“: Alte KAL-Strukturen im Raum Aachen, Düren und Heinsberg). Ein weiterer Re-Organisations-Coup aus Kreisen alter KAL-Leute und jetziger DR-Kader war dann Mitte 2014 die Ankündigung, dass eine der örtlichen DR untergeordnete Freizeit-, Schulungs- und Freundesgruppe namens „Syndikat 52“ (S52) gegründet worden sei. (Stand: Juli 2017)


Identitäre Aktion (IA): Die „Identitäre Aktion“ ist eine Abspaltung der „Identitären Bewegung“ mit einem Aktionsbereich im Rheinland. Anders als Vertreter der IB treten solche der IA in der Öffentlichkeit zuweilen auch selbst offen neonazistisch auf oder beteiligen sich an Neonazi-Aufmärschen. Die IA besteht aus einem überschaubaren Personenkreis, zeitweise war sie über verschiedene Profile und Seiten besonders in den sozialen Netzwerken und lokalen Facebook-Gruppen aktiv. Das Wirken des regionalen Ablegers „Identitäre Aktion Aachen und Euregio“ strahlte virtuell diesbezüglich auch in dem Raum Düren aus. Seit 2017 ist die IA schwerpunktmäßig im Rhein-Sieg-Kreis aktiv. (Stand: Juli 2017)


Identitäre Bewegung (IB): Die vom Verfassungsschutz beobachtete, rechtsextreme „Identitäre Bewegung“, tritt als eine Art popkulturelle, völkisch-nationalistische Jugendbewegung und rechte Spontitruppe auf. So besetzten sie im August 2016 etwa das Brandenburger Tor in Berlin, im Frühjahr 2017 marschierten sie auch vor dem Justizministerium in Form eines Flashmobs auf und versuchten vergeblich, das Gebäude zu besetzen. Im Kreis Düren fiel die IB bisher nicht gesondert auf.

Statt klassisch fremdenfeindlich aufzutreten, nutzen IB-Vertreter eine veränderte Argumentation, statt eines plumpen „Ausländer raus!“ fordern sie intellektuell schöngefärbt die „Remigration“ von Ausländern. Durch eine ausgefeilte und höchst professionelle Medien- und PR-Strategie präsentiert sich die auf nur wenige hundert Aktivisten geschätzte IB als starke und schlagkräftige deutschlandweit aktive „Bewegung“. Nicht selten haben die Vertreter der IB eine neonazistische Vergangenheit oder gehören äußerst rechten Burschenschaften an, auch wenn das Auftreten sehr modern wirkt. Angelehnt an die unpolitische Jugendszene der „Hipster“ nennen sich manche „Identitäre“ selbst denn auch „IBster“. (Stand: Juli 2017)


Kameradschaft Aachener Land (KAL): Die „Kameradschaft Aachener Land“ war rund zehn Jahre lang die dominierende Neonazi-Gruppe im Raum Düren, auch wenn der Name der Gruppierung anderes vermuten ließ. Sowohl die beiden Gründer als auch der langjährige Kopf der Neonazi-Gruppierung hatten ihre Wohnsitze im Kreis Düren. Die im Jahr 2001 gegründete KAL war eine der ältesten existierenden „Kameradschaften“ in NRW und bis zu ihrem Verbot auch eine der größten und aktivsten Zusammenhänge dieser Art. Sie selbst gab indes an, offiziell erst 2002 gegründet worden zu sein. Der Namen bezog sich nicht auf den Kreis Aachen, sondern auf den alten Regierungsbezirk Aachen, wozu auch die Kreise Heinsberg und Düren gehörten.

Wegen ihrer Radikalität, ihres militanten Auftretens und ihrer zelebrierten Nähe zum Nationalsozialismus wurde die KAL durch das Ministerium für Inneres und Kommunales nach dem Vereinsgesetz verboten. Die Polizei ging dabei am 23. August 2012 mit 48 Hausdurchsuchungen gegen 46 mutmaßliche Mitglieder vor. Die KAL betrieb bis dahin eine Homepage, die auf einem Server im Ausland lag. Die Seite war 2011 wegen zahlreicher strafrechtlich relevanter und jugendgefährdender Inhalte von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BpjM) indiziert worden.

Durch gemeinsame Aktivitäten und einer selbst organisierten regionalen „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ konnten Mitglieder an die Gruppe gebunden und neue, junge Menschen angeworben werden. U.a. fanden „Kameradschaftsabende“, „Sportabzeichen“-Prüfungen, Schulungen, Musik- und Rednerveranstaltungen, Aufmärsche (wie in Stolberg) sowie „Heldengedenken“ in der Tradition der NSDAP auf Soldatenfriedhöfen oder „Sonnenwendfeiern“ und „Julfeste“ auf Grillplätzen oder in Bürgerhallen statt. Hinzu kamen gemeinsame Fahrten zu Neonazi-Konzerten, -Treffen und Aufmärschen.

Die KAL kooperierte lange Zeit sehr eng mit der regionalen NPD, was nicht zuletzt an „Doppelmitgliedschaften“ von Mitgliedern und des KAL-Anführers lag. Letztgenannter bekleidete über Jahre verschiedene Ämter regionaler NPD-Verbände: er war z.B. stellvertretender Vorsitzender in den Kreisverbänden Aachen und Düren. Das im Jahr 2012 als kriminelle Vereinigung angesehene „Aktionsbüro Mittelrhein“ (ABM) mit Hauptsitz in Bad Neuenahr-Ahrweiler hatte zuvor an Vernetzungsstrukturen von Neonazis und Gruppen im Rheinland gearbeitete, darin waren auch KAL-Kader involviert. Ehemalige KAL-Vertreter sind heute in der Splitterpartei „Die Rechte“ (DR) oder der Neonazi-Gruppe „Syndikat 52“ (S 52) aktiv. (Stand: Juli 2017)


Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD): Der NPD-Kreisverband Düren gehörte bis Oktober 2010 zu den aktivsten und stärksten Kreisverbänden in NRW. Nach einem Streit zwischen dem Kreisverband und der NPD-Landesführung verhängte der Landesvorstand den „organisatorischen Notstand“ über die NPD Düren und leitete Parteiausschlussverfahren gegen den Kreisvorsitzenden und dessen Stellvertreter ein. Auslöser für den Disput war der Umstand, dass die NPDler aus dem Raum Düren den Landesverband auf einen offen nationalsozialistischen Kurs bringen wollten.

Im März 2011 teilte der NPD-Landesverband mit, dass im Rahmen der Parteiausschlussverfahren „Ordnungsmaßnahmen“ gegen drei Personen verhängt worden seien, im Herbst 2011 hieß es, die drei Führungskader seien nun ganz aus der NPD ausgeschlossen worden. Bis Ende 2011 wollen sich dann fast alle Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Düren entschlossen haben, die NPD zu verlassen. Seitdem sind Aktionen der NPD im Kreis Düren kaum noch zu registrieren, lediglich einzelne Mitglieder sollen dem NPD-Kreisverband Aachen als nächstgrößtem Parteiverband angehören bzw. von diesem kommissarisch betreut werden.

Der Dürener NPD-Verband zeigte sich seit seiner Gründung Anfang des Jahres 2006 aktionsorientiert und vor allem offen für die Zusammenarbeit mit der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) und anderen Gruppierungen der Neonazi-Szene. Umliegende NPD-Ortsgruppen waren auf organisatorischer Ebene zeitweise vom Dürener Kreisverband abhängig. Auch führte die NPD bis 2010 regelmäßige Infostände, Schulungsabende und Veranstaltungen mit teilweise hochrangigen Parteivertretern und prominenten Rednern aus der rechtsextremen Szene durch, die an wechselnden Orten teilweise sogar wöchentlich abgehalten wurden. Zeitweise verfügten NPD und Neonazis über ein Stammlokal im Umfeld des Dürener Bahnhofs, das sie für regelmäßige Treffen und „Balladen-Abende“ nutzten.

Sowohl im Kreistag als auch im Dürener Stadtrat konnte die NPD bei den Kommunalwahlen 2009 ein Mandat erlangen. Bei beiden Wahlen erzielte die NPD das jeweils höchste NPD-Ergebnis im Regierungsbezirk Köln. Durch den Parteiausschluss 2011 verlor die NPD die Sitze. Die NPD im Kreis Düren verfügte zeitweise über gute Kontakte zu rechtsextremen Spätaussiedlern, die vor allem unter den Namen „Russlanddeutsche Konservative“ oder „Schutzgemeinschaft ‚Deutsche Heimat‘ der Deutschen aus Russland“ auftraten.  (Stand: Juli 2017)


Nationale Sozialisten Jülich (NSJ): Die „Nationalen Sozialisten Jülich“  waren ein Zusammenschluss von Neonazis aus dem Jülicher Land. Die NSJ fielen durch teils umfangreiche Sprüh- und Aufkleber-Aktionen u.a. im Jahr 2011 sowie 2014 auf. Für Irritationen sorgte, dass das Kürzel NSJ sich wegen des offenbar hektischen Sprühens vereinzelt als NSU las. Der mutmaßliche Kopf der zeitweise auf bis zu zehn Personen geschätzten NSJ wurde am 23. August 2012 ebenso zum Ziel der Razzia im Rahmen des Verbotes der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), weil er von der Polizei auch als KAL-Mitglied eingestuft wurde. 2011 war es in der Jülicher Innenstadt aus jenem Umfeld heraus zu Provokationen und Angriffen durch Neonazis auf Migranten oder Besuchern des linksalternativen Veranstaltungsortes „Kulturbahnhof“ (KuBa) gekommen. Offenbar ist die Gruppe heute nicht mehr aktiv. Frühere NSJ-Vertreter bzw. Personen aus dem Umfeld fallen nun bei „Syndikat 52“ (S52) auf oder näherten sich nicht rechtsextremen Rocker-Gruppen an. (Stand: Juli 2017)


Die Republikaner (REP): Die rechtsradikale, islam- und fremdenfeindliche Splitterpartei „Republikaner“ ist eine unterdessen marginalisierte Splitterpartei und weit entfernt von den bundesweiten Erfolgen vor rund zwei Jahrzehnten. Auch wenn die REP sporadisch in den letzten Jahren auf Strukturen oder den Aufbau solcher im Kreis Düren hinwiesen, waren solche in der jüngsten Vergangenheit nicht wirklich zu erkennen. Etwaige Wahlkampf-Aktionen dürften nahezu vollumfänglich von außerhalb organisiert worden sein. (Stand: Juli 2017)


Reichsbürger-Bewegung: Selbst ernannte „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Akteure aus der heterogenen „Reichsbürger-Bewegung“ sind auch in der rechtsextremen und antisemitischen Szene aktiv. Generell hängen „Reichsbürger“ Verschwörungstheorien an. Wegen ihrer Militanz und ihrem Hang dazu, ihr Eigentum bzw. ihr „Reich“ auch mit Waffengewalt gegen Behördenvertreter und Polizisten zu verteidigen, entziehen die Behörden bekannten „Reichsbürgern“ Waffenbesitzkarten und beschlagnahmen deren Waffen.

Seit Ende 2016 werden die „Reichsbürger“ bundesweit durch die Verfassungsschutzämter beobachtet. Zuvor hatten nur einige Bundesländer sie nachrichtendienstlich beobachtet. Ende 2016 wurde bekannt, dass die Polizei im Kreis Düren zwar niemanden dieser Szene zurechnet. Allerdings wiesen die Behörden in Linnich darauf hin, dass dort ein Mann sich ähnlich der „Reichsbürger“ weigere, ein Bußgeld nach einem Vergehen im Straßenverkehr zu bezahlen. Im Gerichtsbezirk Aachen – wozu der Raum Aachen, Düren und Heinsberg zählt – fielen zudem in Einzelfällen „Reichsbürger“ auf, die sich gegen Bußgeldverfahren oder Zwangsvollstreckungen wehren wollten.

„Reichsbürger“ bzw. „Selbstverwalter“ (wie sie sich manchmal auch nennen oder genannt werden durch Behörden) untermauern ihre Vorstellungen, warum das „Deutsche Reich“ fort besteht durch verschiedene Theorien und mit unterschiedlichen historischen Begebenheiten. Ein Teil dieser Thesen ist je nach Radikalität und „Logik“ anschlussfähig an Ideologiefragmente in verschiedenen Teilen der rechten Szene. So trifft man auch bei Vertretern von politisch rechts der CDU/CSU einzuordnende Gruppen, Initiativen oder Parteien auf  demokratie- und staatsfeindliche „Reichsbürger“-Ansichten. (Stand: Juli 2017)


Russlanddeutsche Konservative: Die „Russlanddeutschen Konservativen“, zeitweise auch „Freundeskreis der Russlanddeutschen Konservativen“ oder „National-Konservative Bewegung der Deutschen aus Russland“ genannt, waren ein Zusammenschluss von rechtsextremen, fremdenfeindlichen und in Teilen antisemitischen Spätaussiedlern. Vertreter dieser Gruppen waren auch im Kreis Düren aktiv, engagierten sich im „Arbeitskreis Russlanddeutscher in der NPD“ und traten etwa 2009 bei der Kommunalwahl für die NPD in Düren an. Zeitweise gab es enge Kontakte zu einem europäischen Netzwerk von Holocaust-Leugnern namens „Europäische Aktion“ (EA), sporadisch gab es eine Zusammenarbeit mit zum Teil einschlägig verurteilten Holocaust-Leugnern als Redner und Gäste auf Kundgebungen, Ausflügen oder Tagungen.

Mitglieder und Sympathisanten der „Russlanddeutschen Konservativen“ waren überwiegend ältere Menschen, ihre Treffen glichen optisch und musikalisch Vertriebenentreffen oder Heimatkundetagungen. Inwiefern diese „Russlanddeutschen“ noch unter diesen Namen aktiv sind, ist unklar. Ihr früheres Zentralorgan „Volksdeutsche Stimme“ erscheint offenbar in unregelmäßigen Abständen noch und besteht als Internetportal fort, auf dem allerdings nur noch sporadisch Artikel, Verlautbarungen oder Nachveröffentlichungen aus dem rechtsextremen Spektrum erscheinen. Vertreter der „Russlanddeutschen Konservativen“ engagieren sich heute u.a. in ihrer Partei „Arminius-Bund“. (Stand: Juli 2017)


Schutzgemeinschaft „Deutsche Heimat“ der Deutschen aus Russland e.V.: Die „Schutzgemeinschaft ‚Deutsche Heimat‘ der Deutschen aus Russland“ war ein Ableger bzw. eine Art Parallelorganisation der „Russlanddeutschen Konservativen“ mit Sitz und Postfachadresse in Hürtgenwald/Düren. Der Vorsitzende der „Schutzgemeinschaft“ lebte in Hürtgenwald. Regionale Vertreter der „Russlanddeutschen Konservativen“ bzw. der „Schutzgemeinschaft“ waren vor Jahre zeitweise auch im Umfeld von Vertriebenenverbänden, Landsmannschaften oder der „Elterninitiative Düren“ aktiv bzw. versucht in solchen Organisationen Einfluss zu gewinnen. Dies gelang jedoch nicht immer oder nur zeitweise. (Stand: Juli 2017)


Syndikat 52 (S52):  „Syndikat 52“ (S52) ist eine Neonazi-Gruppe, die offiziell den regionalen Kreisverbänden der Splitterpartei „Die Rechte“ (DR) untergeordnet ist, indirekt aber die Neuauflage alter Strukturen der Verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) darstellt (vgl. „Syndikat 52“: Alte KAL-Strukturen im Raum Aachen, Düren und Heinsberg). Dieser Reorganisations-Coup aus Kreisen alter KAL-Leute und jetziger DR-Kader zu einer neuen „Kameradschaft“-ähnlichen Gruppe erfolgte Mitte 2014.

Die Neonazis verkündeten seinerzeit auf einer kurzzeitig abrufbaren Homepage und mittels einer Facebook-Seite, dass eine der örtlichen DR untergeordnete Freizeit-, Schulungs- und Freundesgruppe namens „Syndikat 52“ gegründet worden sei – namentlich eine Kombination aus den Anfangsziffern der Postleitzahl für den Raum Aachen und einer Art von Verbrechersyndikat, immerhin waren KAL-Mitglieder in den Jahren vor dem Verbot wegen zahlreicher Straftaten aufgefallen. S52 verbreitete sogar, man wolle eine Immobilie erwerben oder mieten, um eine Art nationalistischen Frei(zeit)raum aufzubauen. Allem Anschein nach wollte man eine regionale Gruppe aufbauen, die sich an der neofaschistischen Bewegung „CasaPound“ (Italien) orientiert, wobei nach deren Vorbild neben der klassischen Politik auch eine jugendaffine Eventkultur, Aktionismus und rechte Musik einen breiten Raum einnehmen sollen.

Von Beginn an deckten sich neben den DR-Aktivitäten besonders jene von „Syndikat 52“ mit alten KAL-Angeboten: Computerschulung, gemeinsames Grillen, sportive Aktivitäten wie die Teilnahme an einem „Mud Masters“-Lauf als Gruppe, der Faible für das neonazistische Kampfsport-Event „Kampf der Nibelungen“ oder etwa größere Rafting-Touren der Neonazis. Mitglieder und Sympathisanten, darunter auch Ex-KAL-Kader, traten bei Aktionen und Aufmärschen in S52-Shirts auf. Zum Jahrestag des KAL-Verbotes publizierte S52 im Jahr 2016 das Bild einer roten Flagge mit einem weißen Kreis, in dessen Mitte kein Hakenkreuz, sondern ein Herz prangte. Dazu hieß es, dass „auch heute noch […] der Widerstand [lebt]. Eine so reine und klare Weltanschauung lässt sich nicht verbieten.“ Dazu via Hashtag die Parole: „TrotzVerbotSindWirNichtTot“.

Auch weitere „Syndikat 52“-Aktivitäten decken sich teilweise mit alten KAL-Angeboten, nämlich das Organisieren von Neonazi-Konzerten, Flyeraktionen und Feiern. S52 und der DR-Kreisverband Aachen-Heinsberg hielten am 22. Februar 2015 und am 4. Februar 2017 zudem „Heldengedenken“ in der Tradition der KAL bzw. der NSDAP auf dem Soldatenfriedhof „Marienbildchen“ in Langerwehe-Merode ab. Wie zuvor schon durch die KAL werden über S52 junge Interessierte angesprochen und angeworben sowie an die neonazistische Ideologie und Szene herangeführt. Mittels Aktionen, Konzertorganisation oder -besuchen sowie Fahrten zu Aufmärschen will man eine ähnliche „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ herstellen wie zu KAL-Zeiten. Überdies wildert man erneut auch in der Problemfanszene von Alemannia Aachen und Borussia Mönchengladbach, um aktionsorientierte Hooligans und Jugendliche anzuwerben. (Stand: Juli 2017)

Das Projekt „NRWeltoffen: Lokale Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ wird gefördert durch: