Pfarrer lässt sich nach hinterhältiger Attacke nicht einschüchtern
Erstellt 16.02.2016
Unbekannte haben einen Aldenhovener Geistlichen nachts an seiner Haustür niedergeschlagen. Der Pfarrer arbeitet seit 26 Jahren in Aldenhoven. Das sei immer seine Traumgemeinde gewesen.
von Peter Berger und Detlef Schmalenberg
Aldenhoven.
Keinesfalls werde er sich einschüchtern lassen, sagt Charles Cervigne mit ruhiger Stimme: „Niemals, das werden die nicht schaffen.“ Worüber der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Aldenhoven spricht, ist der Überfall am späten Samstagabend. Gegen 23.10 Uhr klingelte es an der Türe des Pfarrhauses, der 56-Jährigen wurde sofort mit Pfefferspray attackiert und mit einem Stock auf ihn eingeprügelt.
Cervigne konnte gerade noch die Tür zuschlagen, musste sich in der Nacht wegen Verletzungen am Auge und am Nasenbein im Aachener Uniklinikum behandeln lassen. „Es hätte viel schlimmer enden können. Ich weiß nicht einmal, ob es ein oder mehrere Täter waren. Wären die Angreifer etwas näher gekommen, hätten sie meine Schädeldecke getroffen und vermutlich stark beschädigt. Das hätte dann nicht mehr so leicht behandelt werden können“, sagt der Pfarrer und lacht. „Aber im Krankenhaus hat man mir gesagt, dass das Auge von selbst heilt. Und die krumme Nase hatte ich schon immer.“
Rechtsradikaler Hintergrund?
Für die Aachener Polizei steht nicht fest, ob der Angriff einen rechtsradikalen Hintergrund hat. Unwahrscheinlich ist das jedoch nicht. Schon vor zwei Jahren hatte es rechtsextreme Schmierereien an der Kirche und dem Pfarrhaus gegeben. Hakenkreuze beispielsweise oder Sprüche wie »Vergiss nie«. „Womit natürlich gemeint war, wir können jederzeit kommen, wir kriegen Dich“, so Cervigne. Zudem seien die Reifen seines Autos zerstochen worden. Der Staatsschutz habe damals ermittelt und einige der Täter gefasst.
In den vergangenen Wochen jedoch sei er wieder regelmäßig auf Facebook beschimpft und bedroht worden. „Ich mische mich beispielsweise häufig in Diskussionen zur Flüchtlingspolitik ein. In diesem Zusammenhang wurden die Pöbeleien immer massiver, bis es schließlich sogar hieß: Man müsste bei Dir vorbei kommen und Dir die Fresse einschlagen.“
Der Angriff auf den Pfarrer sei besonders erschreckend, „weil damit das letzte Tabu gebrochen wurde“, sagt Jens Sannig, Superintendent des Kirchenkreises Jülich. „Ich habe immer gedacht, dass wenigstens Pfarrhäuser noch immer so etwas wie ein geschützter Raum sind. Völlig unabhängig von der Frage, ob der Angriff rechtsradikal motiviert war oder nicht: Da ist eine neue Dimension erreicht. Man schlägt auf jemanden ein, der eigentlich dazu da ist, Menschen zu helfen.“
Seit 26 Jahren in Aldenhoven
Der Pfarrer arbeitet seit 26 Jahren in Aldenhoven. Das sei immer seine Traumgemeinde gewesen. „Als ehemaliger Bergarbeiterort galt das 14 000-Einwohner-Städtchen nach den Zechenschließungen im Jahr 1991 als Problemgemeinde mit hoher Arbeitslosigkeit“, so Cervigne. Aber in dem an Jülich grenzenden Städtchen habe es immer auch ein großes Verständnis für Integration gegeben. „Schließlich kamen auch die Kumpel in den Gruben aus unterschiedlichen Ländern.“
Der Kirchenkreis habe sich deshalb lange schon für Flüchtlinge eingesetzt. „Bereits vor 35 Jahren, als die ersten Tamilen kamen. Oder Anfang der 1990er Jahre, als Hunderttausende in Deutschland Asyl suchten.“
Heute kümmern sich etwa 60 freiwillige Helfer der Gemeinde um kostenlose Lebensmittel, eine Kleiderkammer, bieten den derzeit etwa 280 Asylbewerbern Hilfe bei Behördengängen und Arztbesuchen oder Sprachkurse. Für Charles Cervigne ist völlig klar, dass sich daran nichts ändern wird. Auch nachts werde er weiterhin die Tür zu seinem Pfarrhaus öffnen, wenn es klingelt. „Das steht fest. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“ Sicher mache er sich Sorgen um seine Frau und die fünf Söhne im Alter von zehn bis 22 Jahren.
Aber der Landrat habe ihm versichert, seine Familie würde jetzt besonders geschützt. Um sich selbst aber habe er keine Angst, sagt der Pfarrer. Das klinge jetzt vielleicht etwas merkwürdig oder naiv und werde womöglich sogar belächelt: „Aber das hat etwas mit meinem Gottvertrauen zu tun. Mit dem Grundvertrauen, das mir dadurch geschenkt wurde.“
AUTOR
Peter Berger ist NRW-Korrespondent.
Peter Berger
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