„5 vor 12 – Zeit für Demokratie“ am 25.01.2025

Hallo zusammen, mein Name ist Judith Hages vom Dürener Bündnis gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt.

Am kommenden Montag vor 80 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Soldaten befreit. Mehr als eine Million Menschen waren allein in Auschwitz zwischen März 1942 und November 1944 ermordet worden. 

An dem 27. Januar jeden Jahres gedenken wir der Opfer des Nationalsozialismus. Diese Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit muss fortgesetzt werden – nicht als Strafe, sondern als eine Art „aufgeklärtes Schutzschild“, dass sich so etwas NIEMALS wiederholen wird.

Die Geschichte hat uns gezeigt, wohin antisemitischer Rassenwahn, Nationalismus und Überlegenheitsgefühle führen können. Deshalb müssen wir jeder Ideologie der Ungleichwertigkeit und jeder Politik der Ausgrenzung eine ausdrückliche Absage erteilen.

Wir dürfen nicht schweigen und hinnehmen. Wir müssen aufklären und Menschen dazu ermutigen, ihre Stimme zu erheben.

Die Erinnerung darf nicht enden.

Lasst uns auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Wir müssen jetzt aktiv werden, nicht, wenn sich die Schlinge schon um den eigenen Hals gelegt hat. Nicht abwarten, sondern verhindern.

Und jeder Einzelne kann dazu beitragen!

Ich möchte Ihnen nun eine kurze Passage aus dem Buch „Zeit des Gewissens“ vorlesen, das in Berlin 1943 spielt.

Die Hauptfigur im Roman ist Emma – eine Frau, die mit einem hochrangigen SS-Offizier verheiratet ist. Ihr Sohn begeistert sich immer mehr für Nazi-Ideologie und entgleitet ihr allmählich. Gleichzeitig wächst in ihr der Widerstand bis sie schließlich fliehen muss und sich einer Widerstandsgruppe anschließt.

In der Szene, die ich vorlesen werde, sitzt Emma auf ihrem Beobachtungsposten am Fenster. Das Haus gehört Ria, die eine kleine Widerstandszelle in Berlin anführt. Ria, die mit vollständigem Namen Maria Gräfin von Maltzan heißt, gab es übrigens wirklich. Sie war eine Widerstandskämpferin und hat über sechzig Menschen das Leben gerettet, indem sie ihnen zur Flucht verholfen hat.

Ich weiß nicht, wie lange ich am Fenster sitze und die Umgebung beobachte, als Ria heimkommt. Die Haustür wird quietschend geöffnet. Ich verlasse meinen Posten und folge ihr in die Küche.

„Ich habe hier Brot und ein Stück Speck. Eier bekomme ich morgen für die OP“, sagt sie, während sie den Inhalt des Korbs auf dem Tisch verteilt. Inge, die längst mit den Kartoffeln fertig ist, wirft einen hungrigen Blick auf die Sachen. Auch Ben kommt in die Küche. Zusammen begutachten wir die Beute.

„Da wir nun nicht mehr zu zweit sind, sondern zu viert, müssen wir rationieren. Mehr als zuvor. Ich verzichte, das ist kein Problem.“

Ben öffnet den Mund, um zu protestieren, doch Ria schneidet ihm mit einer Geste das Wort ab.

„Ihr bekommt je zwei Brotscheiben und Speckstreifen. Ben isst kein Schweinefleisch. Dann haben wir noch das Gemüse im Garten hinter dem Haus und den Brunnen. Damit kommen wir erst einmal gut über die Runden und brauchen keine weiteren Marken organisieren.“

Wir nicken. Beim Anblick des Speckstücks läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ob ich mit so wenig Essen auskommen kann? Doch wenn die anderen das können, werde ich es auch schaffen.

„Den Rest werden Ben und Emma heute Nacht im Lager verteilen.“

Inge starrt mich entsetzt an.

Ria erklärt: „Ja, Emma möchte uns helfen und in Berlin bleiben. Was ist mit dir, Inge?“

Das Mädchen blickt zwischen uns hin und her. Ich merke, wie sie mit sich ringt; sich mitteilen möchte, aber etwas in ihr hindert sie daran. Seit ihre Familie deportiert wurde, spricht sie nicht mehr. Ich würde ihr so gerne helfen.

„Möchtest du auch hierbleiben?“, versuche ich es.

Sie nickt heftig. Ich lächle ihr aufmunternd zu und als sie es erwidert, kann ich nicht anders und umarme sie.

„Na gut. Ich übernehme die Telefondienste, Ben und Emma können die Nachtdienste machen und Inge ist für den Beobachtungsposten zuständig. Emma, du kannst ihr ja alles erklären.“

„Was heißt Nachtdienst?“, hake ich nach.

Ben räuspert sich. „Sobald es dunkel ist, verteilen wir Lebensmittel, helfen Verfolgten, holen Pässe beim Fälscher oder erledigen Kurierdienste.“

„Und Telefondienst?“

„Ab und zu bekommen wir Telefonanrufe von vermeintlich falschen Verbindungen. Die genannten Namen stehen für verschiedene Zellen, die Hilfe brauchen. Es gibt noch andere Hinweise, woran wir erkennen, wann wir Menschen abholen sollen. Aber mehr brauchst du nicht zu wissen. Je weniger, desto besser für alle.“

Das hört sich alles ziemlich gefährlich an. Noch kann ich aussteigen. Ich bin mir sicher, dass die anderen es mir nicht übelnehmen würden.

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