Das Dürener Bündnis gegen Rechts und der Förderverein der Stadtbücherei Düren organisierten zwei Lesungen für Schüler und Schülerinnen der Anne-Frank-Gesamtschule und der Realschule Nord.
Mit ungläubigem Staunen verfolgten die 15 – 16 jährigen die Entstehungsgeschichte des Buchs „SCHWARZ – ROT – TOT“: Vor einer Lesung in Greifswald im Osten Deutschlands war Heidi Hassenmüller irrtümlich als holländische Autorin (als gebürtige Hamburgerin lebt sie seit 1974 in den Niederlanden) angekündigt worden, die in ihrem Buch „Gute Nacht, Zuckerpüppchen“ über das Sexualverhalten (Missbrauch durch den Stiefvater) „aufrechter“ deutscher Männer schreibe. Dies hatte zu Ärgernis und Wut in der dortigen örtlichen Nazi-Skinheadszene geführt. Der Sohn der Bibliothekarin wurde von Nazi-Skins in diesem Zusammenhang angegriffen.
Das Buch wurde dann in der Schweiz verfilmt und auch dort hatte Heidi Hassenmüller Ärger mit der rechten Szene. Diese Vorkommnisse waren Auslöser für neunmonatige Recherchen in der deutschen Neonaziszene; ihre Erlebnisse verarbeitete sie in dem Buch, aus dem sie abschnittweise immer wieder vorlas. Heidi Hassenmüller betonte, dass es sich anhöre, als würde sie aus einem billigen Krimi lesen, aber alles, was sie geschrieben habe, entspreche – mit geänderten Namen – der Wahrheit.
Als Heidi Hassenmüller bei ihrer Lesung zu der Stelle kommt, an der Udo als Spitzel in einem Asylbewerberheim eingesetzt wird, Informationen und Lagepläne des Heims an seinen Nazifreund Willi weiter gibt und Mehmet, ein Mitschüler Udos, der in dem Heim ehrenamtlich als Übersetzer arbeitet, „verunfallt“ (vor die Bahn gestoßen wird), wird klar, warum sie zu Beginn sagte, es seien für dieses Buch die schlimmsten Recherchen gewesen, die sie jemals durchführte.
Udo fühlt sich an Mehmets Tod mit schuldig, er beginnt seinen schwierigen Ausstieg aus der Szene.
Die Autorin räumte immer wieder Zeit für Zwischenfragen an die Schüler ein, z. B.: „Wer war von euch schon einmal bei solch einem Treffen?“ (worauf sich niemand meldete).
Sie las von dem ersten Treffen in der Szene, das Udo (und sie persönlich) in einer Mischung aus spießiger und politisch aufgeheizter Stimmung erlebten. Sie berichtete von typischen Erkennungsmerkmalen, erklärte aber auch, dass nicht alle Nazis aussähen wie man sich die Naziskins vorstelle, sondern durchaus auch männliche Lockenköpfe und Herren in Anzug und Krawatte darunter seien.
Aus den Reihen der SchülerInnen gab es viele Fragen an Frau Hassenmüller. Die Frage, ob es wirklich so etwas gebe wie „Todeslisten“ bei den Neonazis wurde von der Autorin bejaht.
Sie erklärte, dass die Elite und die Schlägertruppen aus der deutschen Neonaziszene in Palästina ausgebildet worden seien und im Zusammenhang mit der Terroristenszene zu sehen seien. Für einige Hintergrundinformationen musste die Autorin weiter ausholen, z. B. als es um die Rolle Horst Mahlers ging.
Die Jugendbücherei hatte Bücher zu Hintergrundinformationen für die SchülerInnen ausgestellt.
„Aus jedem Täter kann zu gegebener Zeit auch ein Opfer werden“, meinte die Autorin, nachdem sie die Geschichte des gemobbten Udo, der in seiner Neonaziszene zum Täter wird, erzählt hat.
Udo arbeitet nämlich inzwischen in der Lesung mit Freundin Nina in dem Asylbewerberheim, dessen Lagepläne er weitergegeben hatte, und er wird selbst Opfer eines Anschlags auf das Heim. Außerdem wird er nach einer Veröffentlichung seines Bilds bei einer Neonaziaktion in der Zeitung überall stark ausgegrenzt – er ist wieder zum Opfer geworden.
Die Autorin begleitet Udo auf dem schwierigen Weg aus der Szene heraus: seine Kameraden will er nicht mehr, er findet aber auch sonst niemand, traut sich nicht mehr auf die Straße, weil er von seinen ehemaligen Kameraden verfolgt wird. Die Katze des Nachbarn, die er öfter streichelt und füttert, wird mit ihren Pfoten an die Tür seines Elternhauses genagelt.
Schließlich hilft nur eine neue Identität.
Die Schüler und Schülerinnen erlebten in der Jugendbücherei eine spannende Zeit. Eine Schülerin schlug vor, das Buch als Deutschlektüre anzuschaffen. Heidi Hassenmüller erwähnte hierzu, dass auch eine Anleitung für Pädagogen zum Buch erhältlich sei.
Pingback: Düren - Blog - 02 Sep 2009